Seit Beginn der Coronakrise ist die Heimarbeit für viele Beschäftigte zum Alltag geworden. In großen Teilen der Wirtschaft hat das neue Arbeitsmodell so gut funktioniert, dass das Homeoffice sich wohl auch nach Corona als Bestandteil des Arbeitsalltags etablieren wird. Experten sehen in dieser Entwicklung auch eine Chance für ländliche Regionen, denn wer nicht jeden Tag ins Büro fahren muss, wird auch weitere Anfahrtswege in Kauf nehmen. Das könnte die Wohnungsmärkte in Großstädten entlasten und angrenzende Regionen attraktiver machen.
Einen Rechtsanspruch aufs Homeoffice wird es wohl vorerst nicht geben – der Gesetzesentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wurde vom Bundeskanzleramt gestoppt. Doch es geht auch ohne gesetzlichen Zwang: Eine Umfrage des Münchner IFO-Instituts unter knapp 800 Personalleitern ergab, dass 73 Prozent der Firmen, die ihre Mitarbeiter in der Corona-Krise von zuhause aus arbeiten ließen, auch nach der Krise mehr auf Heimarbeit setzen wollen.
Große Einsparmöglichkeiten
Auch finanziell hat sich das Arbeiten von zuhause für viele Arbeitgeber bewährt: Zwar muss der Arbeitgeber etwaige Kosten für das Homeoffice erstatten, dennoch ergeben sich hier große Einsparmöglichkeiten, denn vor allem in großen Städten schlägt Büroraum kräftig zu Buche. Nach Berechnungen der DZ Bank kostet ein Arbeitsplatz bei durchschnittlich 30 Quadratmetern für einen Beschäftigten jährlich bis zu 9.000 Euro. Für Spitzenlagen in Metropolen wie Berlin, Frankfurt oder München können sogar über 15.000 Euro anfallen. Große Konzerne haben das Einsparpotenzial bereits erkannt, so lässt Siemens weltweit gut 140.000 Mitarbeiter an zwei bis drei Tagen pro Woche mobil arbeiten.
Selbstverständlich hat das neue Arbeitsmodell auch Nachteile für Arbeitgeber und Beschäftigte, da der persönliche Kontakt im Büro zumindest eingeschränkt ist – und mit dem Gemeinsinn könnte auch die Identifikation mit der Firma schwinden, gibt Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), zu bedenken. Zudem sei das häusliche Arbeitsumfeld nicht für jeden Mitarbeiter optimal. Doch auch Voigtländer geht davon aus, dass es eine neue Balance zwischen Arbeiten und Wohnen geben wird und damit auch eine Veränderung der Wohnstrukturen.
Neue Perspektiven für das Umland
Mit dem Arbeiten von zuhause ergeben sich neue Perspektiven für das Umland der Städte, denn das Wohnen im Grünen ist nicht nur erholsam, sondern auch besser finanzierbar: Immerhin haben 32 Prozent der jungen Erwachsenen durch Corona und Kurzarbeit jetzt schon weniger Geld zur Verfügung wie eine LBS-Umfrage zeigt. Bei Haushalten mit Kindern sind es sogar 41 Prozent. Der Umfrage zufolge plant knapp ein Drittel der Arbeitnehmer, bei einem künftigen Wohnortwechsel die Lebenshaltungskosten zu senken. Und wer nicht jeden Tag in der Firma präsent sein muss, für den rechnet sich auch ein etwas weiterer Anfahrtsweg.
Die Heimarbeit könnte also zum Entwicklungshelfer für die ländliche Region werden, denn die Menschen bräuchten dort eine gute Infrastruktur mit Schulen, Kitas, schnellem Internet und auch etwas Kulturangebot, zeigt Voigtländer die Vorteile des neuen Trends auf. Das erweiterte Einzugsgebiet hat auch einen gravierenden Vorteil für die Metropolen, denn wenn der Wohnungsmarkt in den Ballungszentren entlastet wird, könnte eine weitere Preissteigerung auf dem Immobilienmarkt sich zumindest verlangsamen.
Mit einer umwälzenden Stadtflucht rechnet Voigtländer allerdings nicht: „Die Ballungsräume bleiben attraktiv, da Dienstleistungsjobs in den Städten entstehen und Hochqualifizierte anziehen.“
Quellen: faz.net, focus.de, zdf.de, handelsblatt.com, Absolventa.de, lbs.de