Lebendig, bunt, sozial, Smart, vernetzt und multifunktional – so stellen sich Architekten und Stadtplaner die Stadt der Zukunft vor. Eines scheint dabei sicher: Die Zukunft gehört der Stadt, denn der Trend zur Urbanisierung wird sich nach Meinung der Beobachter bis 2030 verschärfen. Und die wachsende Vielfalt der Lebensstile und Wohnformen müssen dort auf engstem Raum integriert werden.
Früher, als die älteren von uns noch Daktari und Bonanza anschauten, war unsere Wohnbiografie vorhersehbar: Aus dem Kinderzimmer herausgewachsen, bezogen wir unsere erste kleine Mietwohnung oder das Zimmer in der WG, nach der Hochzeit ging‘s dann ins Einfamilien- oder Reihenhaus, letzte Station war und ist oft das Zimmer im Altenheim. Doch im 21. Jahrhundert werden die Biografien vielfältiger. Unterschiedliche Lebensstile, Familienformen und Arbeitsmodelle verändern zunehmend die Anforderungen an das Wohnumfeld und den Wohnungsbau. Auch die bisherigen Grenzen der Lebensbereiche werden verschwimmen, so das Ergebnis der Studie „Zukunft des Wohnens“ des Zukunftsinstituts. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Beruf und Freizeit, öffentlich und privat – alles passiert gleichzeitig und ist überall möglich.
Um die verschiedenen Lebensbereiche und Wohnmodelle zu verzahnen, sind innovativer Wohnungsbau und zukunftsweisendes Immobilienmanagement gefragt. Bauliche Strukturen müssen künftig schneller und flexibler auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren. Wohnungen, Gebäude, ja, ganze Stadtviertel werden zunehmend multifunktional und „nutzungsneutral“ gestaltet.
Zonen statt Zimmer
„Conceptual Living“ nennen die Forscher des Zukunftsinstituts dieses Phänomen. Die Flexibilität der Lebensentwürfe und -phasen übertragen sich aufs Wohnen. Aus WG-Bewohnern werden Singles, aus Singles Eltern, aus Elternteilen Alleinwohnende, immer mehr Patchworkfamilien entstehen – und die eigenen vier Wände passen sich an die verschiedenen Lebensphasen an. „Wir wohnen nicht mehr in Räumen, sondern in Zonen“, sagen die Forscher voraus. Möbel ersetzen die Mauern, Wände lassen sich versetzen. „Je weniger Wand, desto besser“, meint Harry Gatterer, Geschäftsführer Österreich des Zukunftsinstituts und Mitautor der Studie. Ideal ist demnach die Ein-Raum-Wohnung mit Bad, da sie die größte Planungsfreiheit bietet. Doch nicht nur die einzelne Wohnungen, sondern das ganze Haus oder Quartier wird als flexibles System gedacht, das Räume bereit hält, die bei Bedarf zuschaltbar sind, sowie gemeinschaftlich genutzte Bereiche. Hausgemeinschaften bieten Räume der Begegnung und stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt – ein Wert, der auch im Jahr 2040 von Bedeutung ist, meinen die Forscher, gerade auch für Alleinlebende.
Die Forscher des Zukunftsinstituts gehen davon aus, dass sich die in sozialen Medien erlernte Kultur des Teilens und Tauschens auf den realen (Wohn-)Raum übertragen wird. „Collaborative Living“, also Leben in Kooperation, nennen sie den Trend in der Studie „Zukunft des Wohnens“. „Immer mehr Menschen eignen sich öffentliche Bereiche an, um ihr Wohnumfeld zu erweitern“, erklärt Gatterer. „Der Park wird zum Garten, die Bibliothek zum Büro. Die Wohnung ist nicht mehr 42 Quadratmeter groß, sondern hat die Fläche der ganzen Stadt. Ich eigne mir die Stadt als Lebensraum an.“ Moderne Gemeinschaftsbüros, Angebote zur Kinderbetreuung, Elder-Care Service, Gemeinschaftsgärten, Do-it-yourself Werkstätten und Wissenscafé sind einige der Grundsteine künftigen Wohnens in Häusern und Quartieren.
Generationenübergreifende Mieter- projekte (Co-Housing-Modelle) sind auf dem Vormarsch.
„Outsourcing“ privater Bereiche
Das Auslagern privater Bereiche wird auch dadurch bedingt sein, dass der Wohnraum in den Ballungszentren immer knapper, die Wohnungen immer kleiner werden. Hinzu kommt, dass die Menschen in Deutschland in immer mehr Haushalten leben (40 Prozent sind Singlehaushalte). „Im privaten Wohnraum wird nur das Wichtigste und Notwendigste untergebracht, was nicht mehr reinpasst, wird in öffentliche Bereiche ausgelagert“, erklärt Gatterer. Allerdings reduziert sich der für die Habseligkeiten benötigte Stauraum auch durch digitale Güter. Bereits heute ersetzt der E-Book-Reader das Bücherregal. Die kommenden Jahrzenten werden mit vielfältigen technischen Innovationen aufwarten, die die Wohnstandards weiter verbes- sern. „Das Smart Home war erst der Anfang“, meinen die Forscher, nur der Auftakt zu einem neuen vernetzten und intelligenten Wohnen, das über technische Spielerein hinaus wirklich smarte Wohnkonzepte bietet.
Zu den neuen adaptiven Technologielösungen gehören auch „mitwachsende Grundrisse“ und flexible Zoneneinteilungen. „Wirklich smart wird ein Zuhause erst, wenn es sich auf seine Bewohner, deren Lebensstil und Lebensumstände einstellen kann, und die Lebensqualität spürbar verbessert“, so die Zukunftsforscher.
Quellen: zukunftsinstitut.de/artikel/immobilien-2040-studie-die-stadtwirtschaft-von-morgen/, m.focus.de, exporo.de, http://makecity.berlin, planet-wissen.de/